Kuba – Sonne, Sommer, Urlaubsfeeling… nein – es ist der Hegelsaal der Liederhalle in Stuttgart, und draussen regnet es. Wir besuchen eine Veranstaltung, die die Lebensfreude der Karibik direkt auf die heimische Bühne bringt: Ballet Revolucion. Die Show ist ganz nach unserer Facon – ein Top oder ein Hemd, eine Jazzhose oder ein Röckchen, Ballettschläppchen; keine Pyrotechnik, keine Showeffekte als Eyecatcher, nein – die Special Effects sind aus Fleisch und Blut und zaubern in rund zwei Stunden eine perfekte Show auf die Bühne. Elemente aus dem klassischen Ballett treffen kubanische Rhytmen, fliessen mit Hits von vielen bekannten Stars der letzten Jahre in farbenfrohen Choreographien wie ein frisch gemixter Drink die Kehle entlang und erfreuen das Auge nebst dem Ohr. Fünfzehn Tänzerinnen und Tänzer zeigen mit Begeisterung, wie man mit fast schon minimalistischen Mitteln eine Hochglanz-Leistung auf die Bühne bringt, eine wahrhaft tolle Leistung, die handgemacht ist – der Mensch steht im Mittelpunkt, das „Drumherum“ ist Nebensache, nur die Livemusik ist keine Randerscheinung, sondern der Nährboden der getanzten Revolucion.
Uns von den Sportfotografen erinnert dies an David Schnabel. Die Hallenradsportler unter den Lesern sagen nun „ja natürlich“, allen anderen sei es kurz erklärt: David war mehrfacher Weltmeister auf dem Kunstrad – und eines seiner Markenzeichen war die Leichtigkeit des Seins, denn die von ihm gefahrenen Küren glänzten vor Leichtigkeit, fast spielerisch anmutenden Bewegungen, fliessend übergehende Höchstleistungen auf der Saalmaschine, wie man das Fahrrad der Kunstradfahrer nennt; Höchstleistungen, die von uns strassenüblichen Radfahrern beim täglichen Wettrennen an der Ampel wohl keiner erbringen kann, aber dafür den mittlerweile in den sportlichen Ruhestand zurückgetretenen Kunstradler verdient zum Weltmeister gemacht haben. Bei Ballet Revolucion finden wir uns wieder – die gleiche Leichtigkeit, ja fast schon Schwerelosigkeit im Tanz begeistert, man glaubt den Tänzern, dass sie echte Kunst betreiben – handgemacht und von ganzem Herzen.
In der Reihe vor uns wippt eine Zuschauerin ihre Hände im Rhythmus der Musik, die Freude und der Genuss am Geschehen elf Reihen weiter vorne zeigt sich deutlich. Im Hintergrund der Bühne singt die Sängerin „it’s a Mens World“, drei Tänzer bringen rhythmisch und gekonnt die Bühne zum beben. Sprünge, Trommeln, Akrobatik stechen hervor. Ein einzelner Tänzer steht im weissen Rampenlicht. Keine versteckten Tricks, kein Anti-Shock-Outfit mit maximaler Dämpfung – ein Paar Ballettschläppchen, ein verschmitztes Lächeln… Absprung im Rhythmus der Musik, sauberer Stand, der Salto sitzt, das Publikum jubelt und spendet Szenenapplaus – doch einen Augenblick später geht der Tanz schon weiter. Das Ensemble stellt ein Feuerwerk der getanzten Emotionen gekonnt zur Schau, ohne Netz und doppelten Boden – doch so facettenreich, wie man es auch von einem guten Musikstück erwartet – wo man beim zweiten oder dritten Hören immer noch etwas Neues und Verstecktes findet, so sieht man auch beim zweiten Blick noch ein neues Detail, einen Akzent und eine Nuance, eine Geste – ein Schauspiel für Auge und Ohr, das man gerne und aufmerksam verfolgt, geniesst, sich daran erfreut.
Bei der Vorstellung der Tänzer und der Liveband am Ende der Show fordert der Sänger das schon stehende Publikum auf, mit „Na-na-na-na-na“ auch einen kleinen musikalischen Beitrag einzubringen, die Leute singen mit, die Sängerin doppelt auch gleich nach und wieder singt das Publikum mit, man sieht – der Funke ist übergesprungen, Band und Tänzer haben ihr Ziel erreicht und werden mit dem vermutlich einzigsten Lohn bedankt, für den es keine Währung gibt – der Applaus und stehende Ovationen. Für uns ist sicher – es hat sich gelohnt, den Fernseher aus- und die heimischen Wände zu verlassen und den Hegelsaal aufzusuchen. Die Revolucion ist da ! Wir waren dabei, und Sie sollten es auch sein.